Lernen von den Nachbarn – Delegationsreise nach Norwegen #Tag 2

Am zweiten Tag unserer Delegationsreise besuchten wir den Krankenpflegeverband und erfuhren im Gespräch mit der Verbandsvorsitzende Eli Gunhild By Inhalte zur norwegischen Pflegeausbildung sowie Krankenhausfinanzierung.

Der norwegische Krankenpflegeverband ist Norwegens viertgrößte Arbeitnehnerorganisation und die einzige bundesweite Gewerkschaftsorganisation für zugelassene Krankenschwestern , Spezialkrankenschwestern, Hebammen , Krankenschwestern und Krankenpflegestudenten. Die Organisation wurde am 24. September 1912 von Bergljot Larsson gegründet und hat heute rund 115.000 Mitglieder.

So berichtet der Verband über den Besuch aus Deutschland

Der Verband setzt sich für die Interessen und Rechte der Mitglieder ein, unter anderem in Bezug auf Löhne, Arbeitszeiten, Beschäftigung und Renten. Darüber hinaus sollen Pflegeberufe, die pflegerische Ausbildung und die Pflegefunktion weiter verbessert und optimiert werden. Der Pflegeberuf an sich ist in allen skandinavischen Ländern ein akademischer Beruf und es wird, anders als in Deutschland, nicht zwischen Alten- und Krankenpfleger unterschieden.

Jarle Grumstad (li.) und Eli Gunhild By (re.)

Jarle Grumstad erklärte, wie die Ausbildung der Krankenpfleger organisiert ist und wie sich die Arbeitsaufgaben gestalten.

In Norwegen haben Krankenschwestern deutlich mehr Kompetenzen als in Deutschland. So übernehmen sie in Norwegen auch Aufgaben, welche bei uns nur von einem Arzt durchgeführt werden dürfen. Auch der Personalschlüssel ist deutlich besser verteilt, denn in Norwegen stehen 17,5 Krankenpfleger 1000 Patienten gegenüber, zum Vergleich: in Deutschland sind es 12,9 Pfleger. Auch im Bereich der Ausbildung zur Krankenschwester gibt es Unterschiede, denn in Norwegen sind ein Bachelor-Studiengang sowie weitreichende Fort- und Weiterbildungen vereinheitlicht.

Jan Vegard Pettersen
Anita A. Asbjørnsen

Kirsten Brubakk ergänzte, dass der demographische Wandel auch für das norwegische Gesundheitssystem ein Problem darstellt. So ist die Hälfte aller Krankenpfleger bereits älter als 50 Jahre und rund 12.000 Stellen in der Pflege sind unbesetzt. Hierbei muss man allerdings beachten, dass der Personalschlüssel in Norwegen gut 4 mal so hoch ist, wie vergleichsweise in Deutschland. So kommen in Norwegen auf jedes Patientenbett 2,21 Vollzeitpflegekräfte, während es in Deutschland nur 0,56 sind.

Meist bevorzugen die Patienten und Angehörigen eine ambulante Pflege, welche 20-30 Euro pro Monat kostet, während hingegen eine stationäre Pflege anteilig nach dem jeweiligen Einkommen berechnet wird.

Kirsten Bubakk

Der nächste Ausflug an diesem Tag führte uns zum Ullevål-Universitätsklinikum (Ullevål universitetssykehus, UUS) in Oslo. Mit mehr als 8.400 Angestellten ist es nicht nur das größte Krankenhaus in Norwegen, sondern auch eines der größten in Nordeuropa. Circa 940 Ärzte und 2.400 Krankenschwestern betreuen jährlich ungefähr 45.000 Patienten stationär sowie über 400.000 ambulant. Im Rahmen eines Vortrages zum Gesundheitssystem in Norwegen, erläuterte uns Herr Matthias Baaske das sogenannte „Beveridge“-Modell, ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem, das nach dem Fürsorgemodell die gesamte Bevölkerung in die Absicherung einschließt.

Die Vorteile daraus liegen klar auf der Hand: gesichertes Einkommen der Leistungsträger, kein Lobbyismus und Finanzierung durch Steuern. Aber dem gegenüber steht natürlich die staatliche Regulierung der Leistungen, wobei der Patient als aktiver Partner angesehen wird und im Mittelpunkt der Gesundheitssystems stehen soll.

Matthias Baaske

Nach der Krankenhausreform 2002 wurden die Kliniken in staatliche Trägerschaft überführt, sind jedoch als Unternehmen organisiert und unterliegen nicht länger der staatlichen Verwaltung. Die übergeordneten gesundheitspolitischen Ziele und Rahmenbedingungen werden vom Staat festgelegt, der wiederrum auch den überwiegenden Teil der Krankenhauskosten trägt. In Norwegen machen reine DRGs 40 Prozent der Gesamtfinanzierung aus, während 60 Prozent als festes Budget an die Krankenhäuser fließen.

Der Anteil der Pflegekosten ist in hoher Wichtung in den DRGs verschlüsselt, so dass der Personalschlüssel der Pflege angehoben werden konnte. Die Anzahl der Vollzeitpflegekräfte pro Bett liegt in Norwegen bei 2,21, zum Vergleich in Deutschland bei 0,56. Dem gegenüber stehen 3,6 Betten pro 1000 Patienten in Norwegen, in Deutschland sind es 8,06 Betten. Die Wartezeiten auf eine stationäre Behandlung sind in Norwegen allerdings sehr lang. Aber das Gesundheitssystem steuert diesem Problem erfolgreich mit einer finanziellen Unterstützung für ambulante Pflege entgegen, denn in Norwegen wird eine pflegende Vollzeitkraft durch die Gemeinde bezahlt. In Norwegen erhalten ca. 15 Prozent der Menschen ab 65 Jahren permanente häusliche Unterstützung, bei den über 80-Jährigen sind es mehr als 50 Prozent.
Zusammenfassend können wir feststellen, dass sich das norwegische Gesundheitssystem durch ein gut funktionierendes System von hausarztzentrierter Versorgung und Akut-Ambulanzen sowie durch optimale Arbeitsbedingungen im medizinischen Bereich, welche es erlauben eine sehr gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, auszeichnet.