So ist nun mal die Mikrobiologie

Lockdown, Lockerung, R-Wert rauf, wieder Lockdown, wieder Lockerung und so weiter und so weiter… und alle wundern sich, dass die Infektionszahlen steigen.

Klar, wenn man denn Deckel vom Milchtopf zuhält! Irgendwann muss man den halt wieder aufmachen. Dann hat man eine 2. oder 3. Welle, wie gewünscht, je nach dem wie viele Male man den Deckel ein ganz kleines bisschen aufmacht und schnell wieder zu.

Zur selben Zeit, als ganz Europa das öffentliche Leben herunterfuhr, ging Schweden seinen Sonderweg und wurde dafür schwer kritisiert. Doch während hier aktuell die Angst vor der zweiten Welle umgeht, sinken dort die Infektionszahlen. Statt eines Lockdown sind dort Kitas und Schulen offen, Restaurants belebt und es gibt nur geringe Kontakteinschränkungen. Schwedens Corona-Maßnahmen wurden vom Rest Europas heftig kritisiert.

Verantwortlich für Schwedens Vorgehensweise ist der Staatsepidemiologe Anders Tegnell. Er wollte nur diejenigen gezielt schützen, denen Corona wirklich gefährlich werden würde, also in erster Linie alte und kranke Menschen. Alle anderen sollten ihren Alltag so normal wie möglich weiterleben. Die Idee dahinter war die Herdenimmunität: Wenn sich ein großer Teil der gesunden Bevölkerung mit dem neuen Coronavirus infizieren würde, wären automatisch auch diejenigen geschützt, für die eine Ansteckung gefährlich wäre.

Zwar schnellten die Infektionszahlen kurzzeitig nach oben und es kam es zu unverhältnismäßig vielen Todesfällen, doch trotz Unverständnis im Ausland hielt Schweden an seiner Strategie fest. Dazu gehörte auch, die Schweden zu nichts zu zwingen. Keine Maskenpflicht, keine Quarantäne für Reiserückkehrer. Man setzte auf freiwillige soziale Distanz und das eigenständige Einhalten der Hygienemaßnahmen seitens der Bevölkerung.

Ergebnis: Kaum Neuinfektionen und ein niedriger R-Wert

Anfänglich sah es so aus, als wäre das schwedische Modell gescheitert, da die Fallzahlen gerade dann steil anstiegen, als sie in anderen europäischen Ländern zurückgingen und erste Lockerungen eingeführt wurden. Ende Juni hatten die täglichen Neuinfektionen mit 2500 einen Höchststand erreicht. Und dann stoppte der Negativtrend in Schweden. Seit Anfang Juli gab es keine Neuinfektionen über 500 mehr, derzeit liegt die tägliche Zunahme bei rund 300, Tendenz sinkend.

Einen Rückgang der Todesfälle registrierten Mediziner schon zuvor. Infektionsepidemiologin Anna Mia Ekström vom Karolinks-Institut, spricht von sinkenden Zahlen der Intensivpatienten seit Ende April. Ende Juli starben noch ein, zwei Patienten pro Tag und nur wenige Covid-19-Patienten wurden auf Intensivstationen eingeliefert. Der R-Wert, also die Zahl, wie viele andere Menschen ein Infizierter ansteckt, sei in Schweden inzwischen auf 0,6 gesunken.

Chefepidemiologe Anders Tegnell hat seinen Kurs stets verteidigt und ist weiterhin überzeugt davon, dass Schweden nicht viel falsch gemacht hat. Vielmehr zeigt er sich besorgt über den weltweiten Infektionsanstieg. Schweden geht gegen diesen Trend.

In Schweden hat man den Deckel vom Milchtopf gar nicht erst zugemacht. Und deshalb konnte bei kleiner Flamme gar nichts richtig überkochen. So ist nun mal die Mikrobiologie.