Rettet unsere Hebammen

Sie begleiten unsere Frauen im Moment der höchsten Verletzlichkeit, schenken Geborgenheit, vermitteln Ruhe und geben Kraft. Sie treiben an, leiden mit und freuen sich mit ihnen über das schönste Glück der Welt. Es ist für jede von ihnen eine Herzensangelegenheit, sie sind unersetzlich – unsere Hebammen!

Doch laut einer Studie des Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastrukturfragen IGES vom September 2019 zur Stationären Hebammenversorgung in Deutschland, sind 18 Prozent der Hebammenplanstellen vakant. Neben der hohen Arbeitsbelastung und steigender Verantwortung durch u.a. zunehmendem Personalmangel zählt auch die unzureichende Vergütung zu vielen der Fluktuationsgründe in diesem Berufszweig.

Vor allem aber der Betreuungsschlüssel macht dem Fachpersonal schwer zu schaffen. Im Rahmen der Studienbefragung gaben ein Viertel der Hebammen an, in einer üblichen Schicht vier und mehr Frauen gleichzeitig betreuen zu müssen. In vielen Geburtskliniken zeigt sich, dass der in den letzten Jahren zunehmende Geburtenanstieg dem verfügbaren Arbeitskapazitäten der Hebammen nicht mehr ausreicht, um in überdurchschnittlichen Nachfragephasen nach stationärer Geburtshilfe den ansonsten üblichen Versorgungsstandard aufrechtzuerhalten. Dieser Mangel an Fachpersonal konnte nur durch die Erhöhung der Wochenarbeitszeiten abgefangen werden. Nahezu 75 Prozent der teilzeitbeschäftigten Hebammen geben an, dass sie wegen der massiven Arbeitsbelastungen keine Vollzeitbeschäftigung ausüben möchten. Auch der Dokumentations- und Verwaltungsaufwand sowie die Zunahme der fachfremden Tätigkeiten (Reinigung oder Hol- und Bringedienste) werden mehrheitlich als massive Belastung angegeben. Schlussendlich sind die Hebammen weniger zufrieden als noch vor drei Jahren.

Diese Situation muss sich dringend ändern. Zum einen durch kurzfristige Maßnahmen, denn es besteht eine Zunahme der Versorgungsprobleme durch ein weiteres Ansteigen der Geburtenzahlen in den nächsten fünf Jahren und zum anderen durch Konzentration und Lösungsansätze auf einzelne Geburtskliniken vor allem in den großstädtischen Regionen.

Mit einem aktuellen Referentenentwurf für das Versorgungsverbesserungsgesetz unseres Gesundheitsministers erwarteten wir Lösungen und Verbesserungen der geschilderten Situation. Angestrebt wird ein Betreuungsschlüssel von mindestens 1:2, besser noch 1:1 durch Förderung zusätzlicher Stellen. Doch leider wurde das Kernproblem der Hebammenversorgung durch Herrn Spahn nicht erkannt. Denn der Mangel an Hebammen in den Kliniken beruht zum überwiegenden Teil nicht auf freien Stellen, sondern eher auf den unzureichenden Besetzungen. Geburtsstationen müssen oft ein halbes Jahr oder noch länger suchen, um freie Stellen zu besetzen. Die Geburtshilfe gilt als chronisch unterfinanziert. Gleichzeitig sind die Arbeitsbedingungen häufig so schlecht, dass Hebammen in Teilzeit gehen oder ihren Beruf aufgeben. Auch sollte dringend den ca. 1.850 in Deutschland arbeitenden Beleghebammen Beachtung geschenkt werden. Geringe Entlohnung für Geburten und teure Versicherungspolicen machen den Hebammenberuf immer unattraktiver. 

Wir müssen unsere Hebammen stärken, sie unterstützen und den Beruf attraktiver gestalten. Sie sind die wichtigsten Begleiter und Betreuer in der Zeit der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbetts. Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre tägliche Arbeit, Ihren unermüdlichen Einsatz und bedingungslose Stärke und verspreche, mich tatkräftig für Ihre Berufsgruppe einzusetzen.

Ihr Dr. Robby Schlund