Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung – Rede im Bundestag

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen!

Es geht um ein sehr privates und sensibles Thema. Wir sprechen hier über kleine und große Kinder, die als intersexuelle Menschen geboren wurden. Die angeborenen Geschlechtsmerkmale sind nicht eindeutig, oder es gibt sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsanteile. Die Frage stellt sich nun: In welchem Geschlecht soll das Kind aufgezogen werden, welche Geschlechtszuweisung ist die Beste, und welche hormonellen oder gar chirurgischen Behandlungen sind sinnvoll oder notwendig?

Wir alle haben bis zur siebten Woche der Embryonalphase Vorstufen beider Geschlechter, und die äußeren Organe entwickeln sich nun hin zum männlichen oder weiblichen Geschlecht. Doch manchmal macht die Natur einen Strich durch die Rechnung, und das Geschlecht ist eben nicht eindeutig. Dabei gibt es verschiedene Ursachen, wie genetische, Enzym- oder auch Stoffwechselstörungen. Für die Betroffenen allerdings, die Eltern und auch die Gesellschaft, ist das eine sehr große Herausforderung.

Seit dem 1. November 2018 besteht die Möglichkeit, dass für Intersexuelle im Geburtenregister der Eintrag „divers“ vermerkt werden kann; man bekennt sich quasi zu keinem der beiden Geschlechter. Doch ist das die Lösung?

(Mechthild Rawert (SPD): Ja!)

Aus ärztlicher Sicht muss man wirklich differenzieren, zum Beispiel, welche Behandlungsmethoden für alle Betroffenen, vorrangig natürlich für das Kind, am besten sind. Es muss nicht in allen Fällen sofort operiert werden; aber offensichtliche Fehlbildungen sollten auch nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben öffentlich zur Schau gestellt werden.

(Beifall bei der AfD – Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Thema verfehlt! – Mechthild Rawert (SPD): Das sind doch keine Fehlbildungen!)

Kinder und Jugendliche sollen möglichst normal aufwachsen, unabhängig von ihren körperlichen Unterschieden und Besonderheiten.

Vor dem Hintergrund der psychologischen Stabilität des Kindes muss gelten: Elternfürsorge statt familiengerichtliche Bevormundung. Es ist hier ein Zusammenspiel aller Parteien und vor allen Dingen natürlich medizinische Aufklärung und Zusammenarbeit mit den Selbsthilfeverbänden nötig. Zusätzlich muss auch mit den Erziehungskräften im Kindergarten oder in der Schule der Dialog geführt werden, um Ausgrenzungen und Benachteiligungen in der Gruppe zu verhindern.

Zusammenfassend sage ich: Wir werden das im Ausschuss diskutieren; denn aus medizinischer Sicht kann dieser Gesetzentwurf die rechtlichen Belange nicht eindeutig klären, obwohl darin durchaus positive Aspekte angesprochen werden. Wir halten es zunächst für sinnvoll, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber anzustoßen,

(Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Quatsch!)

um noch mehr Kennzahlen und daraus resultierende Ergebnisse zur Intersexualität zu erhalten. Danach sollte abschließend eine sowohl medizinisch als auch juristisch belastbare parlamentarische Entscheidung zu treffen sein.

(Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir diskutieren hier schon seit zwei Jahren!)

Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten und besinnliche, aber auch nachdenkliche Stunden und Zeit für sich selbst, um für das nächste Jahr die richtigen Lösungen und Entscheidungen zu planen.

Vielen Dank.