Unsere Völker verbindet mehr, als uns trennt

Vom 23. bis 24. August fand in Berlin die 15. Berichtswahlkonferenz des Gesamtdeutschen Koordinierungsrates der russischen Landsleute statt. 

100 Delegierte von Verbänden der russischsprachigen Diaspora aus allen Bundesländern kamen zu dem zweitägigen Forum im Gebäude des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur zusammen.

Dr. Robby Schlund würdigte in seiner Rede die Beiträge der Diaspora zur Stärkung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Völkern Russlands und Deutschlands, die konsequente Stärkung der Positionen der russischen Sprache und der russischen Kultur in Deutschland.

Sehr geehrter Herr Botschafter, sehr geehrte Frau Yurchenko, sehr geehrter Herr Isvolskij, werte Kollegen und liebe Anwesende!

Es ist mir eine besondere große Ehre, heute hier bei Ihnen, und vor allem mit Ihnen, sein zu dürfen, denn es verbindet Russland und Deutschland viel viel mehr, als manche glauben mögen.

In meinem Heimat Thüringen und auch in Sachsen ist die Verbundenheit mit dem russischen Volk und den russischsprachigen Landsleuten nach wie vor sehr groß und eine gelebte Herzenssache. Als Kind wuchs ich in Thüringen, in Gera, in der ehemaligen DDR auf und der Kontakt mit russischer und sowjetischer Kultur, der russischen Sprache und den sowjetischen Menschen gehörten zu unserem Leben einfach dazu, wie das Brot und Salz, das uns immer als Zeichen der Freundschaft und Offenheit überreicht wurde und einen kleinen Blick in das große Herz und die tiefe russische Seele schenkte. Wir lernten die russische Sprache und in der Sowjetunion lernte man Deutsch. Wir fühlten dadurch unsere Wurzeln und die damit verbundenen Gemeinsamkeiten und Stärken.

Aber schauen wir weiter in die Geschichte von Thüringen zurück, so wird uns schnell klar, das Weimar heute nicht die Kulturhauptstadt mit Goethe und Schiller wäre, wenn es nicht die Zarentochter Maria-Pawlowna-Romanova aus Sankt-Petersburg gegeben hätte, die den Erbprinzen Carl August 1804 heiratete und damit das verarmte Herzogtum Sachsen-Weimar in den Mittelpunkt Deutschlands rückte. Mit Warmherzigkeit, Liebe und sozialem Bewusstsein schenkte sie Thüringen ein bisschen dieser russischen Seele. Sie wurde von den Weimarern liebevoll „Engel der Armen, Kranken und Waisen“ genannt. Sie war nicht nur ein gelebtes Stück Russland in Deutschland, sondern auch eine enorme Bereicherung für unsere Kultur und Politik der damaligen Zeit.

Marias Intelligenz, ihr Fleiß und soziales Engagement trug dazu bei, Thüringen weiterzuentwickeln wie es heute ist, vor allem kulturhistorisch. Diese beherzte junge Frau, verheiratet nach Deutschland, steht stellvertretend für jeden von Ihnen, die aus welchen Gründen auch immer, ihre geliebte Heimat verlassen und bei uns in Deutschland ein neues Leben begonnen haben.

Ca. 2 Millionen russischsprachiger Landsleute in Deutschland tragen heute in entscheidendem Maße am Bruttoinlandsprodukt bei und bereichern unserer Leben und unsere Kultur. Wir finden sie in den Chefetagen, als Selbständige, in den sozialen und medizinischen Berufen, in den Betrieben, in der Landwirtschaft, als Eheleute. Sie werden von allen als freundlich, mitfühlend und fleißig beschrieben.

Ihr, liebe russischsprachigen Landsleute, seid aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Dafür möchte ich Euch an dieser Stelle einfach einmal, von ganzem Herzen Danke sagen, denn ich weiß, dass wir Deutschen das manchmal vergessen, es als selbstverständlich ansehen.

Aber es ist eben keine Selbstverständlichkeit. Wir denken zu wenig darüber nach, was es heisst, seine Heimat zu verlassen oder verlassen zu müssen, die man doch über alles so liebt. Wir Deutsche haben in den letzen Jahren manchmal selbst vergessen, was Heimat eigentlich bedeutet. Heimat bedeutet nicht nur, dort wo uns Mutter geboren hat, sondern vor allem Herzblut, Gefühle und Emotionen. Heimat ist unser Wesen und auch das gesprochene Wort, unsere Muttersprache. Deshalb ist es auch wichtig, dass sie die russische neben der deutschen Sprache pflegen und weitergeben.

Ich persönlich würde mir sehr wünschen, wenn in der Deutschen Politik, die Sorgen, Wünsche und Nöte der russischen Diaspora genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt würden, wie den englischsprachigen oder anderen. Ich würde mir wünschen, dass man im Umgang mit Russland wieder zu einem konstruktiven und pragmatischen Dialog zurückfindet, denn es gibt weit wichtigere Dinge zwischen unseren Völkern, als ideologische Besserwisserei und Bevormundung. Denn diese, das hat die jüngere Geschichte uns gezeigt, kann schnell zu unheilvollen und schrecklichen Ereignissen führen, die letztendlich in Kriegen endeten. Die Leidtragenden dieser Tragödien waren und sind immer die einfachen Menschen. Väter und Mütter starben, Familien zerrissen, Freundschaften zerbrachen und entsetzliches Leid wurde entfesselt.

Als Vater eines deutsch-russischen Kindes, werde ich mich immer und immer wieder dafür einsetzen, dass es niemals wieder zu einem Krieg zwischen unseren Völkern kommt. Ich werde mich einsetzen, dass immer der Dialog vor Sanktionen steht und dass die gemeinsamen bleibenden Wege und Werte aus der Vergangenheit, zur Richtschnur unseres Handelns werden, denn nur diese Werte sind zukunftsfähig und belastbar. Sie sind sozusagen der Wertekanon, wo unsere beiden Kulturen eine gemeinsame Heimat, einen gemeinsamen Hafen finden können, ob hier in Deutschland oder in Russland, bzw. den ehemaligen Sowjetstaaten.

Denn eins weiß ich genau, unsere Völker verbindet mehr als dass uns trennt.